Offener Brief an die Landeshauptfrau

 

 

An die

Landeshauptfrau

 

Mag.a Johanna Mikl-Leitner

PERSÖNLICH

 

Landhausplatz 1

3109 St. Pölten

Telefon: +43 (0) 27 42 / 90 05 12 000

E-Mail: lh.mikl-leitner@noel.gv.at

Bisamberg, 04.01.2018

 

BETREFF: NEIN! Zum Logistikzentrum Langenzersdorf

Sehr geehrte Landeshauptfrau Mag.a Mikl-Leitner,

wir, die Bürgerinnen und Bürger in der Region Korneuburg appellieren an Sie als Vorsitzende der NÖ Landesregierung, Ihrer Verantwortung als objektives Regulativ und Entscheidungsgremium im Dienste der Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher in der Sache Logistikzentrum Langenzersdorf nachzukommen.

·           Entscheiden Sie FÜR die Menschen in Niederösterreich!

 

·           Sie sprechen in Ihrem Wahlkampf von „Wir“, von „Familie“, von „Umwelt“ und „Gesundheit“. Entscheiden Sie daher GEGEN die Zerstörung von Wohngebieten und Naturschutzgebieten! Es wurden Ihnen etliche Alternativstandorte, die wesentlich verträglicher für die Gesundheit von Mensch und Natur wären, vorgeschlagen.

 

·           Was wäre das für eine Politik, die eine mutwillige Zerstörung von Lebensräumen zulässt?

 

·           Was wären Sie für ein Mensch, wenn Sie das mit Ihrem Gewissen vereinbaren können?


Offensichtliche Verfahrensmängel:

·         Keine strategische Umweltprüfung aufgrund eines von der NÖ Landesregierung schriftlich bestätigten Screenings des regionalen Raumplanungsbüros Dr. Paula

·         Keine Berücksichtigung der unmittelbar angrenzenden Wohngebiete und Natura 2000 Gebiete

·         Keine Abstimmung in der Region mit den angrenzenden Gemeinden

·         Antrag der Gemeinde Langenzersdorf zur Widmung eines Logistik-Parks (40 Hektar) in der rechtswidrigen Salamitaktik

·         Missachtung der Freigabebestimmungen für die Aufschließungszone im umzuwidmenden Areal durch die Gemeinde Langenzersdorf

·         Empfehlungen des Umweltanwalts Mag. Hansmann führt nicht zum Versagen des Umwidmungsantrags durch die NÖ Landesregierung

·         Missachtung des NÖ Raumordnungsgesetzes (§ 24 Abs. 11 in Verbindung mit § 25 Abs.4): die NÖ Landesregierung hat zu versagen, wenn die geordnete wirtschaftliche, kulturelle und soziale Entwicklung anderer Gemeinden wesentlich beeinträchtigt wird.

·         Das Projekt wird ohne Genehmigung umgesetzt: Aufschließungsabgaben wurden bereits entrichtet, Kanalanschlüsse und Beleuchtung werden von der Gemeinde Langenzersdorf errichtet.

 

Detaillierte Aufstellung und weiterführende Informationen:

Die Post plant in Langenzersdorf das größte Postverteil- und Logistikzentrum Österreichs, (Ausbaustufe 1: 100.000m²; Vollausbaustufe 4: 400.000m²) zu errichten. Das Gebiet, auf dem dieses Postverteil- und Logistikzentrum errichtet werden soll, befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft (14 Meter) zu einem seit Jahrzehnten bestehenden Wohngebiet (75 % davon waren bereits vor Umwidmung der Gemeinde Langenzersdorf in den 1980er-Jahren Wohngebiet).  Ein Gebiet, das als Feinstaubsanierungsgebiet eingestuft wird und unmittelbar an zwei Natura 2000 Europaschutzgebiete grenzt. Der Großteil des 40 ha großen Gebiets ist als Bauland Betriebsgebiet Aufschließungszone gewidmet und wird seit jeher als Acker- und Grünfläche genutzt. Ein kleiner Teil ist als Bauland Sondergebiet Wärmekraftwerk gewidmet; das kalorische Kraftwerk ist jedoch stillgelegt und die Öltanks entfernt. Beide Widmungen sind ein Relikt aus den 70er- bzw. 80er Jahren.

Um die Errichtung dieses Postverteil- und Logistikzentrums  zu ermöglichen, reichte die Gemeinde Langenzersdorf eine Änderung des örtlichen Raumordnungsprogramms inkl. einer Umwidmung von zunächst 10 ha des geplanten Gebiets in Bauland Betriebsgebiet LOGISTIK an die NÖ Landesregierung als genehmigende Instanz ein. Bereits zu diesem Zeitpunkt wäre aus folgenden Gründen eine sofortige Ablehnung des Antrags der Gemeinde Langenzersdorf durch Sie als Vorsitzende der NÖ Landesregierung unabdingbar gewesen:

 

1.     Im Antrag der Gemeinde Langenzersdorf an die NÖ Landesregierung wurden lediglich Prüfungen und Prognosen (z.B. betreffend Verkehrsaufkommen) für ein Postverteilzentrum mit einer Größe von 10 ha durchgeführt. Aus dem Antrag geht allerdings klar hervor, dass 40 ha „stufenweise entwickelt“ werden sollen (1_Fläwi-Erläuterung, Seite 9). Eindeutig bedient man sich hier der – gesetzeswidrigen – Salamitaktik (siehe Ausschluss von Projektaufteilungen und „Salamitaktik“: KOM 334http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:52003DC0334).

 

2.     Etwa die Hälfte der gegenständlichen Umwidmungsfläche (10 ha) ist derzeit als Bauland Betriebsgebiet-Aufschließungszone gewidmet. Gemäß Verordnung zum örtlichen Raumordnungsprogramm gelten für diese Flächen folgende Freigabebestimmungen:

-Vorliegen eines von der Gemeinde angenommenen Parzellierungskonzeptes bzw. eines Bebauungskonzeptes sowie entsprechender Ergänzung des Bebauungsplanes

-Vorhandensein oder bereits erfolgte Inangriffnahme der Errichtung der notwendigen technischen Infrastruktur (Wasser, Kanal)

-Sicherstellung der inneren Verkehrserschließung gem. § 71 bzw. § 11 Abs. 2 Z. 1 lit. C NÖ BO 1996 idgF.

Weder die notwendige technische Infrastruktur noch die innere Verkehrserschließung sind in der Aufschließungszone (schon gar nicht für den geplanten Vollausbau von 40 ha) gegeben, denn die Aufschließungszone wurde bisher ausschließlich landwirtschaftlich genutzt. Doch auch diese Missachtung der Freigabebestimmungen wird von Ihnen nicht beanstandet.

 

3.     § 24 Abs. 11 des niederösterreichischen Raumordnungsgesetzes sieht vor, dass die Landesregierung das örtliche Raumordnungsprogramm zu versagen hat, wenn dadurch die geordnete wirtschaftliche, kulturelle und soziale Entwicklung anderer Gemeinden wesentlich beeinträchtigt wird. § 25 Abs.4, der die Änderung des örtlichen Raumordnungsprogramms regelt, bestätigt, dass für Verfahren zur Änderung örtlicher Raumordnungsprogramme die Bestimmungen gem. § 24 sinngemäß gelten.

De Facto darf eine Gemeinde also nicht zu Lasten einer anderen Gemeinde Raumordnungsprogramme erlassen oder ändern. anderenfalls muss die Landesregierung die Genehmigung versagen. Die unmittelbar an dieses Grundstück angrenzende Gemeinde Bisamberg hat in einem Gutachten die wesentliche Beeinträchtigung ihrer wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Entwicklung dargelegt (2_Gegengutachten Gemeinde Bisamberg). Dieses Gutachten wurde weder von der Gemeinde Langenzersdorf noch von Ihnen als Vorsitzende der NÖ Landesregierung berücksichtigt, geschweige denn haben Sie die Genehmigung – wie es das niederösterreichische Raumordnungsgesetz vorsehen würde – versagt.

4.     Die Gemeinde Langenzersdorf teilte der NÖ Landesregierung im September 2016 mit, dass ein „Screening“ - durchgeführt im Auftrag der Gemeinde Langenzersdorf durch das Ziviltechnikbüro Dr. Paula  - zu dem Ergebnis kam, dass keine strategische Umweltprüfung (SUP) notwendig sei (3_Ergebnis Screening Gemeinde LE). Unter anderem enthält dieses Screening die Aussage, dass die Luft in einem Feinstaubsanierungsgebiet durch die täglichen zusätzlichen 1.650 Fahrten der Post (in der ersten Ausbaustufe von 10 ha) „verbessert“ wird (Zitat: „…durch die geplante Änderung ergibt sich keine Änderung bzw. möglicherweise eine positive Veränderung hinsichtlich Durchlüftung und des Eintrags von Schadstoffen….“). Das Screening-Ergebnis wird vom Land NÖ als „schlüssig“ bezeichnet, obwohl gleichzeitig eingestanden wird, dass „genauere Angaben dazu bzw. eine Bewertung, warum diese erhöhte Verkehrsbelastung als nicht erheblich eingestuft wird“ nicht vorliegen. Die Landesregierung gesteht auch ein, dass ein sogenanntes Betriebsgebiet definiert ist als Standort für „Bauwerke und solche Betriebe, die keine übermäßige Lärm oder Geruchsbelästigung und keine schädliche, störende oder gefährliche Einwirkung auf die Umgebung verursachen.“ Sie gesteht weiters ein, dass übermäßige verkehrsbedingte Emissionen nach fachlicher Ansicht eher die Zulässigkeit eines Bauvorhabens… in Frage stellen“ würden. Die Bestätigung, dass es keiner strategische Umweltprüfung bedarf, erteilt die NÖ Landesregierung dennoch SCHRIFTLICH (4_Stellungnahme NÖ Landesregierung SUP). Frau Dr. Böhm vom Raumplanungsbüro Dr. Paula bestätigt dazu in einem Interview sogar, dass hier vorab eine Abstimmung mit der NÖ Landesregierung erfolgte (Artikel in meinbezirk.at: Post-Zentrum: Statt Prüfung mauscheln Land und Raumplanungsbüro: https://www.meinbezirk.at/korneuburg/lokales/post-zentrum-statt-pruefung-mauscheln-land-und-raumplanungsbuero-d2279354.html ).

Dabei sind Ihnen, Frau Mag.a Mikl-Leitner, als oberste Instanz der NÖ Landesregierung zu diesem Zeitpunkt die negativen Auswirkungen und sämtlich Argumente, die gegen ein Postverteil- und Logistikzentrum an diesem Standort sprechen, längst bekannt:

1) 24-Std-Betrieb, 7 Tage pro Woche direkt neben einem Wohngebiet

2) Lichtemission in vier, von der Post errichteten Paketverteilzentren, zeigt sich ein erschreckendes Bild an Lichtverschmutzung (in Allhaming ist die Lichtkuppel z.B. bereits aus 4,5 km erkennbar)

3) Vier Verkehrszählungen in Allhaming und in 1230 Wien bestätigen, dass die Angaben der Post (1.650 zusätzliche Fahrten pro Tag) falsch sind. ExpertInnen rechnen mit 3000 Fahrten zusätzlichen pro Tag, davon 1000 LKW. Die höchste Belastung in der Nacht zwischen 22.00 Uhr- 6.00 Uhr früh.

4) Mautflüchtlinge – der Bürgermeister aus Weißkirchen (Nachbargemeinde von Allhaming) schildert die untragbaren Zustände. Mehr als 200 LKW pro Nacht über 7,5 to. Kleinere Fahrzeuge werden nicht mehr gezählt. In unserem Fall haben es die Mautflüchtlinge noch einfacher, da Langenzersdorf Quell- u. Zielgebiet ist. (z.B. Abfahrt Strebersdorf – Zufahrt über die B3 zum Postverteilzentrum, dadurch Mautersparnis)

5) Betriebslärm – unerträglicher Betriebslärm, besonders in der Nacht (bis zu 90 Dezibel (dB)). Der nächste Anrainer wohnt 14 m entfernt, die LKW fahren unmittelbar an seinem Haus vorbei.

6) Bisamberg, Korneuburg und Langenzersdorf sind Feinstaubsanierungsgebiete – in Bisamberg wird die Situation verschärft durch die vorherrschende Hauptwindrichtung und den Bisamberg.

7) Der Bisamberg (1000 m vom Postverteilzentrum, 400 m vom Endpunkt des geplanten Betriebsgeländes- LOGISTIK entfernt) und die Tullnerfelder Auen (500 m vom Postverteilzentrum und 300 m vom Endpunkt des Logistikzentrums entfernt)  sind Natura 2000 Europaschutzgebiete.  

8) Der Bodenverbrauch und die Bodenversiegelung steigen schon alleine in der ersten Ausbaustufe (10 ha) um 600%. Das Gebiet ist ein Hochwassergebiet.

9) Keine Überprüfung auf Altlasten. Drei Schweröltanks des kalorischen Kraftwerks aus den 60-er Jahren standen auf dem zukünftigen Betriebsgelände. Die um 1927 eröffnete und 1961 geschlossene Raffinerie Korneuburg und das angrenzende gegenständliche Gelände waren im 2.Weltkrieg Ziel zahlreicher Bombenangriffe (Altlast N16 „Tuttendorfer Breite“). Dennoch wurden keine Altlasten-Untersuchungen auf dem zur Umwidmung geplanten angrenzenden Gelände durchgeführt.

 

Als der NÖ Umweltanwalt, Herr Mag. Hansmann, knapp vor Ablauf der 6-monatigen Frist zur Stellungnahme eine strategische Umweltprüfung empfiehlt (5_Empfehlungen NÖ Umweltanwalt PVZ Langenzersdorf), setzt die Gemeinde Langenzersdorf ihren Antrag auf Genehmigung an die NÖ Landesregierung aus, erneuert aber den Beschluss im Gemeinderat für die geplante Widmung und das gesamte Projekt. Die Post gibt schon am nächsten Tag bekannt, dass sie eine Neueinreichung mit marginalen Änderungen plant. Das legt die Vermutung nahe, dass hier im Hintergrund Absprachen erfolgt sind.

Äußerst bedenklich erscheint in diesem Zusammenhang, dass die schriftliche Bestätigung der NÖ Landesregierung vom 3.11.2016, dass es keiner strategischen Umweltprüfung für dieses Projekt bedarf (trotz der Empfehlung des NÖ Umweltanwalts), nie zurückgezogen wurde. Weiters wurde die Berücksichtigung aller Empfehlungen des NÖ Umweltanwalts nicht als Bedingung für die Neueinreichung vorgeschrieben.

In Anbetracht dieser Fakten müssen wir davon ausgehen, dass Sie als Vorsitzende der NÖ Landesregierung Ihrer Aufsichtsfunktion als übergeordnete Behörde nicht ordnungsgemäß nachkommen. Weiters lassen die Vorbereitungsmaßnahmen der Gemeinde Langenzersdorf und weitere Fakten darauf schließen, dass Sie bereits grünes Licht für dieses Projekt gegeben haben und Sie nur die Vorwahlzeit mit den bisherigen Verzögerungen konfliktfrei halten wollen.

·         Warum sonst hat die Post bereits eine Aufschließungsabgabe (6_Aufschließungsabgabe Am Kraftwerk 15) für das Grundstück bezahlt?

·         Warum sonst hat die Post ihr Vorkaufsrecht auf die Gründe der Verbund Thermal Power GmbH bis zum 12.12.2018 verlängert (7_GBA KATASTRALGEMEINDE 11029 Langenzersdorf EINLAGEZAHL 101 13. 12. 2017)?

·         Warum sonst bereitet der Gemeinderat von Langenzersdorf die Errichtung eines Kanalanschlusses vor und genehmigt eine Investition von 261.000 Euro für die Errichtung der öffentlichen Beleuchtung Langenzersdorf – Betriebsgebiet Nord inkl. Wartungsvertrag für die nächsten 5 Jahre (8_2017-09-25-Gemeinderatsprotokoll Langenzersdorf.pdf)?

 

Unsere vielen Anschreiben und Aufrufe an Sie werden stets weitergeleitet bzw. seit Wochen einfach ignoriert. Wir bitten Sie daher zu diesen Fragen direkt und persönlich Stellung zu beziehen und dieses Schreiben nicht an eine zuständige Abteilung weiterzuleiten. Sie sind es den Bürgerinnen und Bürgern von Niederösterreich als gewählte Vertretung des Landes schuldig!

 

 

 

In Erwartung einer zeitnahen und konkreten Antwort,

 

 

die Bürgerinitiative NEIN! Zum Logistikzentrum Langenzersdorf

 

 

Offener Brief im pdf-Format:

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8 Anhänge:

 

1. Erläuterungen zum Flächenwidmungsplan

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1_Flaewi-Erlaeuterung.pdf
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2. Gegengutachten der Gemeinde Bisamberg

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2_Gegengutachten Gemeinde Bisamberg.pdf
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3. Screening Ergebnis der Gemeinde Langenzersdorf

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3_Ergebnis_Screening_Gemeinde LE.pdf
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4. Stellungnahme der niederösterreichischen Landesregierung zum Screening Ergebnis der Gemeinde Langenzersdorf

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4_Stellungnahme_NÖ Landesregierung_SUP.p
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5. Empfehlungen der niederösterreichischen Umweltanwaltschaft zum Postverteilzentrum Langenzersdorf

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5_Empfehlungen NÖ Umweltanwalt PVZ Lange
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6. Vorschreibung von Aufschließungsabgaben

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6_Aufschließungsabgabe Am Kraftwerk 15.p
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7. Grundbuchsauszug

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7_GBA KATASTRALGEMEINDE 11029 Langenzers
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8. Gemeinderatsprotokoll der Gemeinde Langenzersdorf vom 25.09.2017

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8_2017-09-25-Gemeinderatsprotokoll Lange
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